Steuerzeiten des 50er Originalzylinders

Achtung! Alles hier Vorgestellte ist improvisiert und entspricht evtl. nicht gängigen Vorschriften. Es handelt sich nur um Beschreibungen. Den Nachbau möchte ich weder empfehlen noch dazu anregen. Jeder handelt auf eigene Verantwortung!

Es hat mich einfach gereizt, mal das Original-Setup der Ape näher zu begucken. Mein Verdacht: Der Originalzylinder ist stark gedrosselt. Zu stark, so dass die Ape 50 damit nicht fahrbar ist. Praktisch jeder denkt zumindest über Tuningmöglichkeiten nach, nachdem er sich erst mal eine Weile mit dem O-Setup durchgequält hat.
Da ich recht wenig von solchem Tuning halte, wollte ich der Sache mal auf den Grund gehen. Wenn es möglich wäre, dem O-Setup ein bisschen mehr Leistung zu entlocken, eben das was einem 50ccm-Motor angemessen wäre, dann würde das schon reichen. Alles mit Originalteilen.

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Zuerst mal habe ich mehrere Zylinder zum Vergleich auf den Tisch gelegt. Was interessierte, waren die Steuerzeiten.

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Dazu habe ich mir Portmaps angefertigt und zusätzlich die Höhen mit dem Meßschieber vermessen. Was dabei für den Originalzylinder herauskam, bestätigt meine Vermutung.


Die Steuerzeiten des Original-Zylinders sind sehr kurz. Da werden die Überströmer nur halb geöffnet, und das auch nur sehr kurz. Ebenso bleibt der Auslass teilweise verdeckt und öffnet erst spät.
Mal konkret: Die Kolbenoberkante befindet sich im unteren Totpunkt in knapp 44mm Höhe ab Oberkante Zylinder. Die Einlasskanäle enden aber in 49mm Höhe. 49-44=5mm der Kanalhöhe werden gar nicht freigegeben! Die Höhe der Einlasskanäle beträgt 8,5mm. Es werden davon also nur 3,5mm geöffnet, und das auch nur extrem kurz. Wie soll dabei Leistung entstehen?
Ich habe Hinweise gefunden, dass die Steuerzeiten im Laufe der Produktionsjahre öfters mal variiert wurden. Anscheinend gab es auch schon bessere Steuerzeiten.
Bei einer so geringen Füllung (wegen der schmalen Überströmöffnung) kann der Zylinder auch nicht ordentlich gespült werden. Zu fehlender Leistung kommt also auch noch Klemmergefahr.
Der Auslass ist auch extrem spät und ebenfalls werden vom Kolben die unteren 5mm nicht freigegeben.

Ich habe nun die genauen Steuerzeiten mal direkt am Motor ermittelt, so konnte ich sie direkt am Motor ablesen:
50er Originalzylinder: 140° Auslass, 100° Einlass, ergibt 20° Vorauslass.
Zum Vergleich:
85er Tuningzylinder: 158° Auslass, 108° Einlass, ergibt 25° Vorauslass.
Der Originalzylinder hat einen grösseren Arbeitswinkel als der Tuningzylinder (360-140=220° gegenüber 360-158=202°). Dadurch kann, anschaulich gesagt, der Gasdruck länger wirken und mehr Drehmoment erzeugen. Jedoch sind die entstehenden Steuerzeiten nur für geringe Drehzahlen zu gebrauchen, und die Füllung mit Frischgas eingeschränkt.
Beim Tuningzylinder entsteht Drehmoment durch den grösseren Hubraum. Hier kann der Zylinder mit längeren Steuerzeiten auf grössere Drehzahlen ausgelegt werden.
Es gilt nun einen Kompromiss zu finden. Zum einen wollen wir mehr Drehmoment im niedrigen Drehzahlbereich, zum anderen auch etwas höhere Enddrehzahl. Dadurch wird die Ape etwas schneller, bzw. man muss nicht ständig auf Vollgas fahren, nur um die 38km/h zu halten.
Sinnvolle Steuerzeiten kann man erreichen, indem man den Zylinder höher legt. Dadurch werden auch die Kanäle besser geöffnet.

Erster praktischer Versuch

In einem ersten Versuch habe ich folgendes gemacht: Um die Steuerzeiten des DR 85 zu erreichen, muss der Zylinder 3mm angehoben werden, für die Steuerzeiten des DR 75 sind es 4mm. Die Kanäle sind dann noch nicht voll offen, aber es ist schon wesentlich besser. Das Ergebnis ist dann mehr Leistung bei höherer Drehzahl.
Problem ist der berühmte Ganganschluss vom 3. in den 4. Gang. Den schaltet man bei dieser Ausführung bei ca. 28km/h. Aber erst bei ca. 34km/h fängt der Motor im 4. Gang an zu ziehen. Das reicht noch, wenn weder Gegenwind noch Steigung stören, aber sonst quält man sich so dahin. Es ist aber schon deutlich angenehmer als mit dem unveränderten Setup.
Ich habe mal die Steuerzeiten dazu gemessen:
50er Originalzylinder 3mm hoch: 157° Auslass, 121° Einlass, ergibt 18° Vorauslass.
Der Einlass beginnt also zu früh, bevor das Altgas richtig abgeführt wurde. Das vermindert die Frischgasfüllung. Ein etwas längerer Vorauslass wäre also einen Versuch Wert.

Zweiter praktischer Versuch

Mein nächster Versuch wird sein: 158° Auslass, 116° Einlass, ergibt 21° Vorauslass.
Dazu muss ich nach Berechnung den Zylinder nur 2mm höher legen und den Auslass 1mm höher fräsen.
Ich mache hier nicht den Versuch, den Einlasswinkel auf z.B. die 108° des DR 85 zu setzen, und damit den Vorauslass zu erhöhen. Dann dürfte ich den Zylinder nur noch um 1mm höher setzen (und den Auslass 2mm höher fräsen), wodurch die Kanäle immernoch zu wenig vom Kolben freigegeben würden. Ausserdem würde sich das Leistungsmaximum weiter in Richtung höhere Drehzahlen verschieben, und untenrum bliebe weniger Drehmoment erhalten. Was für eine Rennmaschine gut wäre, passt für die Ape aber überhaupt nicht. Da müsste man schon immer bergab beschleunigen...
Dieser Zweite Versuch machte keinen Unterschied in der Fahrleistung zum ersten. Er dreht nicht einmal so hoch wie der Zylinder im ersten Versuch. Ich habe jetzt nicht nur den Auslass um 1mm höher gefräst, sondern auch die Einlasskanäle soweit erweitert, dass keine Stufen zwischen Motorgehäufe und Zylinderfuß mehr stehen bleiben. Diese Arbeit kann man sich anscheinend sparen.

Fazit

Die einfachere Vorgehensweise ist die bessere: Einfach den Zylinder um 3mm höher legen und entsprechend oben was abdrehen, das reicht völlig, um die Leistung des 50er Zylinders auf ein angemessenes Niveau zu bringen. Der Motor dreht nach oben hin schön aus. Die Kanäle sind für 50ccm gross genug. Ich fahre wieder den ersten Zylinder.
Mit diesen Maßnahmen erhöht man nicht den Spritverbrauch, erhält aber ein klein wenig mehr Leistung für den Sprit. Für mich ist das ausreichend, um mich nicht mehr von den Möglichkeiten eines grossen Tunings verlocken zu lassen.

Vorgehensweise

Grundsätzlich gilt: Um den Zylinder höher zu legen, wird er am Fuss unterlegt, z.B. um 3mm. Entsprechend muss oben was abgedreht werden. Da der Kolben im oberen Totpunkt beim unveränderten Originalzylinder noch 0,8mm unterhalb der Zylinderoberkante steht, kann vom Zylinder auch etwas mehr abgedreht werden, z.B. bis zu 3,5mm. Dadurch wird die Verdichtung erhöht, die ist nämlich auch unzureichend.
Als Unterlage unter den Zylinderfuss wird z.B. eine Spacerplatte aus 2mm Alublech und zwei Papierdichtungen aus 0,5mm Dichtungspapier gefertigt.
Jetzt muss kontrolliert werden, wieviel Luft zwischen Kolben und Zylinderkopf ist, die sogenannte Quetschkante. Dazu wird ein Stück Lötdraht genommen, mit einem kleinen Gasbrenner ein Lottropfen am Drahtende zusammengeschmolzen, und dieses Ende dann durch das Kerzenloch in den Zylinder gehalten. Es sollte an der Zylinderwand anliegen, so dass es dort vom Kolben gequetscht wird. Nun am Lüfterrad drehen, bis das Zinn maximal zusammengequetscht wird. Das kann man dann messen. Durch den kugeligen Brennraum ist das ganze gar nicht so einfach und man sollte es mehrfach an verschiedenen Stellen wiederholen.
Eine Quetschspalte von 1,5mm ist gut. Ist es mehr, wird der Zylinderkopf noch abgedreht. Meistens ist man da mit 1mm dabei. Aufpassen, dass die Zündkerze nicht am Kolben anschlägt! Den Zylinderkopf und die frische Dichtfläche oben am Zylinder muss man dann noch plan schleifen.

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